Das dritte Quartal 2022 war für VC-Finanzierungen das schlechteste seit der Pandemie. In diesem sogenannten „Fintech-Winter“ waren viele Fintechs gezwungen, ihre Wachstumspläne sprichwörtlich auf Eis zu legen. Doch das Verbraucherverhalten und die Erwartungen an das, was Fintechs bieten sollen, bestehen weiterhin. Nicht nur das, sie haben sogar an Dynamik gewonnen. Es sind die Fintechs, die sich dieser Dynamik bewusst sind, die in einem ansonsten schwierigen globalen Markt erfolgreich sind und zeigen, dass es weiterhin Geschäftschancen gibt.
In diesem Artikel betrachten wir zwei Fintechs, die 2020 auf den Markt kamen. Beide sind Kunden von Currencycloud. Crezco aus London und Lesslie aus Schweden haben in diesen schwierigen Zeiten ihren Kunden zugehört und ihnen das gegeben, was sie brauchen. Crezcos Ziel ist es, internationale, grenzüberschreitende B2B-Zahlungen für Kunden einfacher zu machen, indem globale Open-Banking-Zahlungen in einer einfach zu nutzenden grenzüberschreitenden Lösung vereint werden. Lesslie führte 2020 Lesslie Pay ein, um den Verwaltungsaufwand und die Kosten für KMUs in Schweden mit grenzüberschreitenden Geschäften zu verringern. Dies erfolgt durch eine nahtlose Integration zwischen Banken, ERPs und der Steuerbehörde.
Wir haben mit Crezco CEO Ralph Rogge gesprochen, der überzeugt ist, dass „Fintech weiterhin das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist“ – und auch mitLesslie CEO Gunnar Rytterling, der sagt, „dass wir in eine vielversprechende Zukunft blicken“.
Fintechs versuchen, den Status quo auf den Kopf zu stellen. Das kann während einer Konjunkturschwäche schwieriger sein, aber es ist nicht unmöglich. Probleme wie sofort bezahlt zu werden, Geld international zu überweisen, Rechnungen zu zahlen, auf Finanzierungen zuzugreifen, Bankkonten zu eröffnen, Zinsen zu erheben und Cashflow zu managen bestehen für Unternehmen, unabhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Die Chancen für Produktentwickler, die die Bedürfnisse von Kunden erfüllen möchten, verschwinden nicht. So ist es beispielsweise das Ziel von Crezco, „Geld einfach zu machen“ und ein Fintech für KMUs zu schaffen, das international skalierbar ist.
In anderen Worten: Während unsere übergeordnete Strategie unverändert blieb, waren wir uns bewusst, dass wir unsere Taktiken an die unmittelbaren Bedürfnisse unseres Geschäfts anpassen mussten. Und weil wir wissen, dass das Herz der Finanzdienstleistungen eines Unternehmens in den Zahlungen liegt, hatte die Entwicklung, Einführung und Optimierung von Lesslie Pay für uns oberste Priorität.
Rogge, Crezco: Fintech ist nicht einfach, insbesondere wenn der Fokus eher auf „Fin“ liegt als auf „Tech“. Banken, Neobanken und Online-Kreditgeber tun sich immer noch schwer, international zu skalieren. Anders als Verbraucher-Apps und Websites sind Fintechs stärker von iOS und einem kompatiblen Browser abhängig.
Dennoch wollen wir international skalieren, ganz ohne Grenzkosten. Dafür ist Interoperabilität aus regulatorischer und technologischer Perspektive entscheidend. Der Weg ist voller Hindernisse, wie das Fehlen von Echtzeit-Zahlungsschienen und altmodische KYC-Ansätze. Während Currencycloud zwar nicht alle Probleme löst, bietet das Unternehmen doch viele Tools, die in der Zwischenzeit viele Lücken ausreichend schließen. Die gute Nachricht für Crezco ist, dass viele Probleme weiterhin bestehen und es noch viel zu tun gibt!
Rytterling, Lesslie: Aufgrund der makroökonomischen Bedingungen sind Investoren deutlich weniger bereit, in Unternehmen ohne Cashflow zu investieren. Um für Finanzierungen attraktiv zu sein, müssen Fintechs zu Beginn mehr denn je einen Nischenmarkt bedienen und einen kleineren, hochmodernen Service für ein spezifisches Problem bieten. Es ist jetzt viel schwieriger für Fintechs, mit einer umfassenden Plattform zu starten, die alles kann und sich für alle eignet.
Die Chance besteht darin, echte Kundenprobleme zu verstehen. Das ergibt sich, wenn Kunden den Service oder das Produkt effektiv nutzen. In der Finanzbranche gibt es noch Vieles, was verbessert und automatisiert werden kann. Die Herausforderung besteht darin, Probleme zu finden, die klein genug für eine schnelle MVP-Implementierung sind und doch eine beträchtliche Kundengruppe anziehen.
Rogge, Crezco: Unternehmen mit hohen Eigenkapitalbewertungen aus den Jahren 2021 und 2022 haben Schwierigkeiten, 2023 die Erwartungen von Investoren zu erfüllen, aber die monatlichen Wachstumsraten gehen nicht zurück. Das Gesamtvolumen der globalen Zahlungen steigt und fällt mit der Konjunktur, aber Fintechs wie Crezco werden von strukturellem, nicht zyklischem Rückenwind getragen.
Wenn das risikoscheue Investorenumfeld Crezco eine Chance eröffnet, dann ist es die Tatsache, dass es sich bei Regen leichter überholen lässt als bei Sonnenschein. Für uns und viele andere Fintechs ist das noch immer eine Umgebung der unbegrenzten Möglichkeiten.
Rytterling, Lesslie: Aus einer technologischen Perspektive glaube ich, dass der wirksame Einsatz der Open-Banking-APIs noch für lange Zeit viele Chancen eröffnen wird. Die regulatorisch gesteuerten P2D2-APIs ziehen das gesamte Banking-Ökosystem in API-Angebote und die APIs der Banken werden jeden Tag besser. So wird es einfacher für uns Fintechs, noch reibungslosere und integriertere Lösungen für den Endkunden zu konzipieren.
Rogge, Crezco: Für Verbraucher ist alles einfach, online, sofort verfügbar und wahrscheinlich kostenlos. Unsere Kunden sind Leiter der Finanzabteilungen von Unternehmen, und sie erwarten von ihren geschäftlichen Software-Lösungen immer häufiger dieselbe Benutzerfreundlichkeit, die sie als Verbraucher von Spotify oder Netflix erwarten. Einerseits ist das positiv, denn ihre steigenden Erwartungen führen dazu, dass sie innovativere Lösungen wie die von Crezco suchen. Andererseits darf man sich keinen Fehler erlauben.
Ryterrling, Lesslie: Da ich über 10 Jahren lang bei einer der größten Banken Schwedens mit FX gearbeitet habe, wusste ich genau, dass sich viele Geschäftsinhaber der eigentlichen Kosten für diese Transaktionen und Wechselgebühren nicht bewusst waren. In einem sich ständig verändernden Markt haben wir festgestellt, dass unsere Kunden immer mehr schnellere und kostengünstigere Lösungen für grenzüberschreitende Zahlungen verlangen. Dieser Trend spielt uns in die Hände, denn Leslie bietet exakt diese Art von Service.
Rogge, Crezco: Wir sind nicht hier, um das Unmögliche möglich zu machen. Die Kunden sagen uns, was funktioniert, was nicht funktioniert und was wir als nächsten entwickeln sollten. Sie empfehlen auch ganz offenherzig neue Kunden an uns weiter. Unsere Kunden liegen uns wirklich am Herzen, und ich glaube, das wissen sie auch.
Ryterrling, Lesslie: Heute ist fast unsere gesamte Arbeitszeit in den Bereichen Produktentwicklung und Engineering darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse unseres derzeitigen Kundenstamms und potenzieller Neukunden zu erfüllen und ihr Feedback umzusetzen. Wenn man Kunden hat, wird die Produktentwicklung einfacher. Man hört ihnen zu und löst dann echte Probleme.
Ryterrling, Lesslie: Es gibt uns noch nicht so lange, wir haben heute einen Zielmarktanteil von 0,5 % in Schweden. Wir werden in den kommenden Jahren unser Wachstum noch weiter beschleunigen und parallel dazu auch geografisch expandieren. Gleichzeitig werden wir unser Angebot mit Dienstleistungen wie Liquiditätsmanagement, eingebetteten Finanzen und mehr Automatisierung von Accounting und Betriebswirtschaft erweitern.
Rogge, Crezco: Der B2B-Zahlungsmarkt ist riesig, mit einem Volumen von über einhundert Billionen Dollar – die Zahl ist so hoch, dass sie unwirklich erscheint. Crezcos Marktanteil? Weniger als 0,1 %, und das in den Märkten, in denen wir derzeit tätig sind. Unsere größte Konkurrenz sind nicht Stripe oder PayPal, es sind Word-Dokumente und manuelle Banküberweisungen. Das ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem nur die menschliche Trägheit und Technophobie regiert.